Für uns ist die Frankfurter Buchmesse 2017 vorbei. Wir haben zwei Tage in den Messehallen verbracht, sind viele Kilometer gelaufen, haben viele Bücher gesehen, ein paar Gespräche geführt – und waren so richtig bei keiner Veranstaltung. Einmal im Orbanism-Space, aber die Aufmerksamkeitsspanne reichte nicht. Im Vorbeigehen bei der ARD-Bühne etwas zugehört. Das war’s. Es klappte einfach nicht dieses Jahr.
Wir waren als Familie bei den Fachbesuchertagen da. Inklusive unserer 12jährigen Tochter. Natürlich lag unser Interessen-Schwerpunkt da bei der Jugendliteratur. Die Kinderbücher, sie guckten uns fragend und ein wenig enttäuscht an, dass wir sie so ungeachtet an ihren Plätzen stehen ließen. Sie hatten es ja letztes Jahr schon zu spüren bekommen, dass unsere Lütte älter wird, dieses Jahr bekam von ihr eigentlich keines mehr einen Blick ab. Wenn ich allerdings ein paar Handgriffe Zeit hatte, streichelte ich dem einen oder anderen der Bilderbücher fast zärtlich über das Cover, öffnete es, wurde ein wenig wehmütig, dass bei uns jetzt illustrierte Bücher nur noch im Regal stehen. Es gibt wirklich wunderschöne Bilderbücher und auch so viele schön geschrieben und illustrierte Kinderbücher, die ich nun nicht mehr vorlesen kann, weil Töchterchen ihnen entwachsen ist.
Dieses Jahr gab es tatsächlich nur noch die Jugendbücher auf die das Kind sich stürzte. Die Auswahl war vielfältig. Soviel vorweg: Grob gezählt kam sie auf ca. 130 Bücher für die Wunschliste. Dieses Jahr haben wir nicht mehr jedes einzeln fotografiert, sondern bei den Verlagen jeweils gestapelt.
Doch halt, das Erste, was wir bei der Buchmesse wirklich sahen, dieses Jahr war etwas ganz anderes. Etwas, dessen wir uns bewußt sind, dass es das gibt und auch gar nicht mal so selten. Aber Augenzeuge waren wir noch nie. Der beste Stand auf der Buchmesse gehört Random House, schon seitdem wir das erste Mal da waren. Der beste im Sinne von bestplatzierte. Nämlich in Halle 3 direkt am Eingang, an dem die Shuttle-Busse vom Rebstock-Parkhaus halten. Somit beginnt unser Messerundgang auch jedes Jahr genau dort. Bei cbj und cbt. Dieses Jahr haben sie den kleinen Drachen Kokosnuss ganz groß gefeatured. Die in den letzten Jahren immer gut platzierte Nele-Reihe sah ich so gar nicht. Denn wir standen ja altersgemäß – bei den Jugendbüchern. Töchterchen blätterte in einem ausgestellten Jugendbuch, welches auch das Interesse einer jungen Dame neben ihr erweckte. Ich beobachtete es mit ein wenig Abstand. Im Gegensatz zu Töchterchen stellte eben jene junge Dame das Buch nach einem kurzen Blick jedoch nicht zurück ins Regal, sondern ließ es ganz ungeniert in ihre an einem anderen Stand eingsammelten Tasche gleiten. Ich blinzelte. Ne, oder? Nicht wirklich. Nicht *so* dreist, oder? Doch. Genau so dreist. Es war nicht voll am Mittwoch, ich brauchte mich nur umdrehen und hatte einen Verlagsmitarbeiter gegenüber, den ich – man will ja niemanden zu Unrecht beschuldigen – erstmal fragte, ob die Person zum Verlag gehören würde. Natürlich gehörte sie nicht. Man bat sie unauffällig zur Seite, es gab ein längeres Gespräch, das Buch wanderte wieder ins Regal. Keine Stunde war die Buchmesse da geöffnet, als es erste Lücken in den Regalen gab. Gut, uns brachte das ein nettes Verlagsgespräch am Morgen, nach einem Foto stellten wir alle Bücher brav zurück ins Regal. Denn da stehen tatsächlich nicht mehr so viele rum wie in den Jahren zuvor. Eins der Dinge die uns auffielen und die uns in eben diesem Gespräch auch bestätigt wurde. Öffentlich sind es weniger Exemplare geworden. Das zog sich durch nahezu alle Stände. Überhaupt –
Die Bücher
Das war dieses Jahr so eine Sache. Ja, es waren viele. Ja, Töchterchen hat mehr als ausreichend für sie neue gefunden. Aber insgesamt erschien es uns bei den meisten Verlagen doch deutlich weniger zu sein. Ausgestellt und auch in der Auswahl geringer. Teilweise beschlich mich ein wenig ein liebloses, leeres Gefühl, während wir durch die Hallen gingen. Stände, an denen sonst reihen- und stapelweise Bücher präsentiert wurden, hatten nur vereinzelte Exemplare ausgestellt und mehr Leere und Deko. Will man keine Bücher mehr verkaufen? Oder hat man nichts Neues mehr? Das kann ja wohl kaum sein, man hat. Oder ist das nur unser Eindruck gewesen? Was aber auffiel war, dass sich die Reihen tatsächlich lichteten. Sei es nun, weil Verlage Exemplare abgaben, oder weil es mehr Fach(!)-Besucher der Kategorie der jungen Dame vom Morgen gab.
Was die Bücher betrifft, die Genres und überhaupt… Wir gingen mit offenen Augen herum, verglichen mit den vorigen Jahren. Es war einiges anders, manches hatte sich verstärkt, manches weniger. Das Gendering fiel nicht mehr so übel ins Auge, wie noch vor ein paar Jahren. Natürlich ist es weiter vorhanden, aber nicht mehr so prominent überrepräsentiert. Die Sachbücher – 2013 sprangen sie uns an allen Ecken nur so an. Dieses Jahr mußten wir sie schon fast suchen. Außer natürlich bei Tessloff. Besonders aufgefallen ist es uns bei Arena. Da gibt es an einer Seite ein Regal, welches sonst gedrängt voll war mit Sachbuchthemen. Dieses Jahr war es halb leer.
Die Genres an sich. Ich hatte das Gefühl von Fantasy-Literatur nur so erschlagen zu werden. Vor allem Fantasy mit Drachen, Zwergen und Co. Reihenweise. Reihenweise im doppelten Sinn. Weil sie nämlich dann auch gleich als Reihen im Sinne von Serien zu finden waren. Massen. Das ist ein Trend in jedem Bereich der Kinder- und Jugendliteratur, der mir schon länger zu denken gibt. Oft scheint es auch stilistisch beim Reinlesen in ein Buch einfach nur noch Masse zu sein. Hunderte von Seiten Fantasy, mehrere Bücher im Jahr einer Serie. Wie will man da noch etwas wirklich ausarbeiten? Bei kurzen Kinderbüchern ist das etwas anderes, aber die dicken Wälzer?! Sagt mir, wenn ich mit dem Vorurteil irre. Also – viel Fantasy, viel düstere, viel brutale Fantasy. Aber auch „schöne“ Fantasy, andere Fantasy, einzelne, serienlose Fantasy.
Weniger stark auffällig zu finden war dieses Jahr das Genre, für das ich immer noch keinen Oberbegriff habe. Gesellschaftsliteratur? Da sprang uns vor allem letztes Jahr, was unser erstes Fast-nur-Jugendbuch-Jahr war, sehr viel mehr ins Auge. Das von Töchterchen geliebte „Mit Worten kann ich fliegen“ von Sharon Draper zum Beispiel, obwohl es keine Neuerscheinung war. Klar, Peer Martins „Sommer unter schwarzen Flügeln“ als Gewinner des Jugendliteraturpreises der Jugendjury war prominent ausgestellt. Aber insgesamt waren Themen wie Flüchtlinge, Sozialproblematik, Behinderte, Außenseiter etc. weit auffälliger zu sehen. Töchterchen favorisiert unter anderem diese Literatur, sie hat trotzdem viele gefunden, aber wir mußten eher in den Regalen der Stände suchen, statt einfach am Gang zuzugreifen. Das aktuell sehr viel Aufmerksamkeit erregende „The Hate You Give“ von Angie Thomas und die für den Jugendliteraturpreis nominierten Bücher mal ausgenommen. Aber irgendwie – insgesamt war die repräsentative Ausstellung einzelner Bücher im Jugendbuchbereich weniger geworden. Zurückgenommener. Teilweise gab es wirklich einfach Regale voller unterschiedlicher Buchrücken. Ich weiß nicht, ob es nur unser Eindruck war. Aber der war bei allen Dreien unabhängig voneinander der gleiche. Schöne, oft liebevolle Stände, aber wenig(er) Bücher.
Was mir bei den Büchern, egal ob Kinder- Jugend- oder Erwachsenenliteratur auffiel: Es gibt immer mehr Vielfalt in der Haptik der Umschläge. Ein Hardcover-Schutzumschlag ist längst nicht mehr immer glatt. Eine schöne Struktur fiel mir dieses Jahr als erstes bei „Wächter der Meere, Hüter des Lichts“ von Oliver Schlick auf. Dann fing ich an, darauf zu achten. Ja, es gibt einige Bücher, über deren Oberfläche man gerne streicht. Die nicht so kalt sind, wie es jahrelang Standard war. Anderes kleines Detail zum Beispiel bei Eric Lindstroms „Wie ich dich sehe“, passend zum Buchinhalt: Eine Prägung in Brailleschrift auf dem Schutzumschlag.
Ein kleiner Verlag fiel uns dieses Jahr besonders neu auf: Der Fabulus Verlag, bei dem im Verhältnis nahezu alle Bücher auf der Wunschliste landeten. Wobei im Gespräch am Stand wieder mal auffiel: Wer nur persönlich ausgewählte Bücher im Verlag hat, kann auch zu allen sehr viel und sehr authentisch begeistert erzählen. Bei altbekannten Klein-Verlagen wie Südpol und Glückschuh ist Töchterchen leider größtenteils den Büchern entwachsen, so hielten wir nur für ein kurzes Gespräch an. Wobei „Die grünen Piraten“ dann doch wieder als für-zwischendurch-lesen Interesse weckte.
Neu für uns auch: Spielbücher. Quasi ein Ein-Personen-Rollenspiel in Buchform, angeboten speziell vom Mantikore-Verlag. Das könnte ich mir sehr interessant auch für andere Genres als Fantasy vorstellen. Krimis zum Beispiel. Könnte mich reizen.
Die Buchmesse und die Bücher im Allgemeinen und Großen und Ganzen. Es gab noch einiges anderes, was uns auffiel, aber das sprengt in diesem Beitrag den ohnehin schon langen Rahmen. Bleiben wir also bei den Jugendbuch-Eindrücken. Ganz nach unserem persönlichen Empfinden. Subjektiv. Wer es anders wahrgenommen hat, darf das gerne anfügen :)
Danke für den Eindruck von der Buchmesse.
Ich glaube mir wäre das alles etwas zu viel, und ich glaube ich würde so vieles haben wollen.
Hach, schöne Bilderbücher *seufz*
Diese “Fantasy-Mehrband-Schwemme” ist mir auch schon aufgefallen, und ich bin etwas irritiert davon. Es scheint als ob viele auf so einer “Game of Thrones Fantasy Welle” mitreiten und “Massenware” produzieren. Ist ja nicht nur im Jugendbuchbereich so, dort sticht es alledings schon ins Auge.
Die Jugendbücher der 80er und 90er waren jedenfalls deutlich anders.
Viele Grüße
K.
Aber gut, jede Zeit hat ihre Moden.
So vieles haben wollen… Ja, das ist ein alljährliches Problem.
Das Thema „zuviel“ klammere ich hier bewußt aus.
nächtliche Grüße
Anja
Hallo! :)
Das sind wirklich schon viele Eindrücke. Leider kann ich nicht viel dazu sagen, da ich noch nie auf der FBM war. Allerdings sieht man auch im Laden immer mehr Buchreihen mit Drachen und Fantasy.
Allgemein bin ich ja eigentlich auch nicht mehr im Jugendbuch-Alter, lese sie aber dennoch ganz gerne. ?
Liebe Grüße!