Cover von „Blink of Time“ vor einer Reihe Bücher im Regal.

Gelesen: Blink of Time

„Blink of Time“ Cover

Vorlesen ist hier altersbedingt inzwischen out. Krankheitsbedingt war es jetzt aber mal wieder soweit. Töchterchen kramte „Blink of Time – jagt Sarah Layken“ von Rainer Wekwerth aus dem Bücherregal. Mit frisch 15 Jahren liegt sie voll im Zielgruppenalter, welches vom Verlag Arena mit „ab 14 Jahre“ angegeben ist.

Der Klappentext versprach ein interessantes Thema. Wer hat sich nicht schon mal gewünscht, Dinge rückgängig machen zu können, bzw. noch eine Chance zu bekommen, sie nochmal erleben und dann alles besser machen zu können? So heißt es auf dem Klappentext: „Um das richtige Leben zu finden, um ihre Liebe wiederzutreffen, um ihren Bruder vor einem Unglück zu bewahren, muss Sarah Layken die gleiche Situation wieder und wieder durchleben. Sie kann sich immer wieder für ein neues Leben entscheiden, aber sie kennt vorher niemals den Preis, den sie dafür bezahlen muss.“
Wer hier – wie wir – annimmt, dass es sich bei der gleichen Situation um einen immer wiederkehrenden Tag à la „Täglich grüßt das Murmeltier“ (die Älteren werden sich erinnern) handelt, der irrt.

Nein, bei Sarah Layken und Josh Stiller (schonmal versucht, den Namen flüssig vorzulesen?) ist die Situation eine andere. Sie haben die Möglichkeit ihre aktuelle Realität zu verlassen und in eine andere zu wechseln. Sie wissen nie, was sie erwartet und ohne Josh wäre Sarah ziemlich verloren. Das ist durchaus auch eine spannende Idee, die viel Potential hat. Leider ist das Ganze in „Blink of Time“ an einigen Stellen nicht schlüssig. Im Laufe der Geschichte ergeben sich einige Fragen und teilweise passt es auch nicht so richtig zusammen. Ganz abgesehen davon, dass Sarah gleich am Anfang in zwei haarsträubende – allerdings durchaus auch spannende – Realitäten gerät.

Die Protagonisten sind… Nun ja… Uns gingen die Mädels ziemlich schnell auf die Nerven. Sarah und auch ihre Freundin Lona sind in ihrer Art doch eher klischeehaft-überzeichnete 17jährige, die sich nur um Optik und Jungs scheren. Oberflächlich in ihrem Denken, zunächst ohne jede Tiefe in ihren Charakteren. Für Lona bleibt das auch so. Schnell hingekritzelt könnte man sagen, über einen Skizzenstatus nicht hinausgekommen. Lona spielt nicht unbedingt eine Hauptrolle, aber so sind die Szenen zwischen Sarah und ihr oftmals regelrecht zäh, langweilig und vorhersehbar. Sarah ist ihr kleiner Bruder Ben völlig egal, ihre Eltern nerven sie (okay, das ist durchaus realistisch). Auch als Sarah auf Josh trifft, bleibt sie eher oberflächlich in ihrer Art. Sie hat Gefühle, ja, aber diese sind nicht so beschrieben, dass wir als Leser diese „mitfühlen“ konnten. Die Figur nahm uns nicht mit. Auch Sarahs Ex-Freund Patrick ist einfach nur ein eifersüchtiger eindimensionaler Charakter. Einzig der sensible Josh wächst einem in gewisser Weise ans Herz. Nur ihm hat Rainer Wekwerth wirklich einen richtigen Charakter gegönnt. Er leidet unter dem, was ihm in seiner Urpsrungs-Realität passiert ist, er sucht verzweifelt nach einer Realität, in der das Ganze nicht passiert ist. Und das nicht nur, weil er mit den Ereignissen nicht fertig wird, sondern auch, weil er an seine Freunde denkt. Mitgefühl. Auch für Sarah. Die hingegen kommt teilweise doch eher egozentrisch rüber. Besonders, als ihr ähnliches passiert, wie Josh. Sie läuft einfach nur weg. Sie will für sich etwas ändern, nicht für die anderen.

Merkt ihr was? Die handelnden Personen (es gibt auch diverse Randfiguren, die einfach nur immer wieder da sind) konnten uns kaum überzeugen. Zu wenig Tiefe in den Charakteren, bis auf bei den beiden Hauptpersonen kratzt der Autor allerhöchstens oberflächlich an einem einzigen Charakterzug. Einzig Patrick bekommt noch etwas zusätzlich gegönnt, kurz vor Ende des Buches.

Die Geschichte an sich? Durchaus spannend. Es gab immer wieder Phasen, in denen mein Lesetempo mit dem Verlauf der Geschehnisse deutlich anzog. Diese spannenden Phasen sind es auch, die „Blink of Time“ Pluspunkte einbringt. Die kann Rainer Wekwerth hier wirklich gut erzählen. Leider gab es auch genauso Abschnitte, die langwierig zu lesen waren. Besonders die Passagen zwischen Lona und Sarah waren ab ihrem zweiten Beisammensein nervig. Sage nicht nur ich, sondern vor allem auch die Leserin der Zielgruppe hier im Haus. Wäre sie nicht krank gewesen und würde sie nicht ohnehin unfähig sein, ein Buch nicht zu Ende zu lesen – vermutlich wäre genau das mit „Blink of Time“ geschehen. Wir hätten es nicht zu Ende gebracht. Oder doch. Das Thema war ja spannend. Viele Szenen auch. Auf die kann ich hier aber ohne zu spoilern leider nicht eingehen. Leider kann ich deswegen auch nicht genauer formulieren, was uns an der Umsetzung der Idee so enttäuscht hat.

Fazit:

Rainer Wekwerth greift hier das Thema Zeitreisen, Parallelwelten und Co. in einer durchaus spannenden Art auf. Die Idee hinter „Blink of Time“ ist reizvoll und hat echtes Potential. Das nutzt der Autor aber leider nicht wirklich aus. Die Charaktere bleiben an der Oberfläche, alles wirkt gehetzt, kaum eine Szene wirklich ausgearbeitet. Die Idee wird nicht ausgeschöpft. Und eben vor allem die Protagonisten bleiben flach und eindimensional. Ein paar mehr Seiten hätten dem Jugendbuch gut getan. Ein paar mehr Seiten für mehr Tiefe. In der Geschichte und in den Personen. Ein wenig mehr Konsequenz bei der Ausarbeitung der Idee hinter den Realitätswechseln. Positiv: Rainer Wekwerths Jugendroman liest sich richtig flüssig. Okay, „Josh Stiller“ kann ich immer noch nicht stolperfrei vorlesen ;-) Der Schreibstil an sich gefällt.

Insgesamt bleibt ein eher fades Gefühl zurück. Ja, überwiegend ist die Geschichte spannend, manchmal lebt man sogar mit. Oftmals waren wir aber auch genervt, vielleicht auch, weil Töchterchen so gar nichts mit Sarah und Lona gemeinsam hat. Was widerum gut daran liegen kann, dass die beiden eben kaum Farbe bekommen haben. Nein, den überwiegend positiven Bewertungen von „Blink of Time“ können wir uns leider nicht anschließen. Das Buch ist okay, hat durchaus längere Strecken, die uns mitgenommen haben, mehr aber auch nicht. Immerhin war die Geschichte auch mit Fieber zu verstehen. Die Lücken in Logik und Handlung leider auch. Wir haben übrigens knappe 1,5 Tage gebraucht, um die 320 Seiten durchzulesen. Was vielleicht auch erwähnt werden sollte: „Pheromon“ von Rainer Wekwerth kam bei Töchterchen deutlich besser weg.

Randbemerkung: Was mir beim Lesen immer stärker im Kopf rumschwirrte: Ja, sie können die Realität hinter sich lassen und in eine andere flüchten. Aber sie erinnern sich immer an die alten. Die Erinnerungen bleiben, egal, wie Sarah wegläuft, um die für sie „richtige“ Realität zu finden. Dieser Aspekt drängte sich uns förmlich auf, aber scheinbar meint zumindest Sarah, wenn sie nur in einer anderen Realität ankommt, spielt das vorige keine Rolle mehr. Aber bei ohnehin eher grob hingekritzelten Charakteren (ich weiß, dass viele Leser diesen Aspekt anders empfinden), kann man das wohl auch nicht erwarten.

„Blink of Time“ Cover

Rainer Wekwerth
Blink of Time – Jagt Sarah Layken
Arena

320 Seiten, 12,99 €
ISBN: 978-3-401-51009-5