Katherine Neville: Das Montglane Spiel

montglaneIch habe bei der Arbeit teilweise Zeit zum Lesen. Somit arbeite ich mich kontinuierlich durch unseren Bücherschrank. Das heißt, meistens laß ich mir von Olaf eines seiner Bücher geben, dann ist er Schuld wenn es mir nicht gefällt ;-) So gab er kürzlich Kathrin Nevilles “Das Montglane-Spiel”. Auf den ersten Blick sagte ich: “Aber so’n historischer Kram ist doch nichts richtig für mich.” Denn das erste Kapitel hieß “Montglane – Frühjahr 1972”. Er riet mir, doch einfach mal zu lesen und ich muß im Nachhinein sagen, ich habe es nicht bereut.

So historisch ist der Roman aus dem Goldmann Verlag auch gar nicht. Sozusagen nur zu Hälfte. Die zweite Hälfte spielt in den 70er Jahren und ist damit als relativ aktuell zu bezeichnen. Auch wenn man sich während des Lesens manchmal fragt, warum die denn alle keine Handys zur Hilfe nehmen… Im Ernst, ich habe das Buch letztendlich kaum aus der Hand legen können und mich von einem Jahrhundert zum Nächsten gehangelt. Doch jetzt erstmal ein grober Überblick über das Buch, wie immer ohne genauere Angaben um dem Eigen-Lesen nichts vorwegzunehmen.

Inhalt:
Der Titel das Buches sagt aus worum es geht: “Das Montglane-Spiel”. Hierbei handelt es sich um ein Schachspiel, welches Karl der Große von Mauren geschenkt bekam. Es heißt, dieses wundervoll angefertigte Schachspiel enthalte eine magische Formel zur Verleihung von Macht. Die geheimnisvollen Kräfte dieses sagenumwobenen Spiels führen zu allerelei Unruhen und im Laufe des Romans auch zu vielen Toten.

Zentrale Figuren in Nevilles Geschichte sind die Nonnen Mireille und Valentine, die im 18. Jahrhundert im Montglane-Kloster leben. Sie erhalten zu Beginn der französischen Revolution von ihrer Äbtissen einige Figuren ausgehändigt und bekommen trotz ihres jungen Alters die Verantwortung für viele andere Nonnen und deren Figuren. Die beiden flüchten nach Paris zu Valentines Onkel, durchleben die Unruhen, flüchten und schließlich landet Mireille auch in Algerien. Sie befindet sich auf der Suche nach dem Geheimnis des Schachspiels, welches so lange in ihrem Kloster vergraben war.

Auf diese Suche macht sich eher unfreiwillig auch die Unternehmensberaterin Katherine aus New York im Jahre 1972. Das Buch berichtet parallel von den Erlebnissen beider Frauen, die mit HIlfe von Freunden viele Gefahren durchzustehen haben. Wie ihre beiden Schicksale miteinander verflochten sind wird Stück für Stück durchschaubar. Beide benötigen Hilfe und Rat anderer, begreifen aber immer wieder, daß nicht jeder auch ihr Freund ist sondern daß ihre Umgebung von Feinden wimmelt.

Alle Beteiligten sind letztendlich Figuren in einem Schachspiel, jeder hat seine Rolle. Stück für Stück finden Mireille und Katherine ihre eigene Bestimmung heraus, lernen welcher ihrer Bekannte welche Schachfigur ist. Auch wer der schwarzen und wer der weißen Mannschaft anghört müssen sie teilweise erst erschreckend herausfinden.

Mein Eindruck:
Es war hochinteressant, welche Parallelen zwischen Mireille und Katherine bestehen, wie sich dem Leser langsam verdeutlicht was die beiden miteinander zu tun haben. Ich wüßte nicht, in welche Kategorie ich dieses Buch einsortieren sollte. Historischer Roman? Kriminalroman? Irgendwas in Richtung Märchen? Oder gar Thriller? Es hat von allem etwas. Es ist unglaublich spannend, teilweise sehr unheimlich und beunruhigend. Leichen gibt es auch genug, deren Mörder vor allem Katherine zu finden gezwungen ist. Denn die Mörder ihrer Informanten sind auch diejenigen, die sie jagen. Und Geschichte gibt es wahrlich genug. Man macht u.a Bekanntschaft mit Katharina der Großen, Napoleon, Robespierre und einigen anderen. Auch die OPEC spielt in Ihrer Entstehung eine zentrale Rolle.

Die historischen Gegebenheiten beschreibt Katherine Neville so genau und eindrucksvoll, daß man sich zwischendurch immer wieder fragt, wo die wahre Historie aufhört und die Erfindung der Autorin anfängt. Die Geschichte ist sowohl im 18. als auch 20. Jahrhundert perfekt in die Handlung eingegliedert. Wahre Ereignisse werden so geschickt als Stützpfeiler für den Roman genutzt, daß man den Eindruck gewinnt, es hätte das Montglane-Spiel wirklich gegeben.
Es ist viel von Magie die Rede, die “Acht” spielt eine zentrale Rolle, man lernt etwas über Zahlenreihen und diversen mathematisch-wissenschaftlichen Kram den ich immer noch nicht ganz nachvollziehen kann. Die Recherchen von Katherine Neville sind aber auf jeden Fall wasserdicht und geben dem Roman immer wieder den nötigen Hinterhalt. Immer wieder ist die Rede von DER Formel, von der aber kaum einer weiß was sie wirklich beinhaltet.

Zwischendurch fragte ich mich, nach dem philosphischen Sinn hinter der Geschichte. Sind wir alle nur Schachfiguren im Leben? So wie die handelnden Personen des Buches letztendlich nur Figuren sind? Dieser Punkt des Romans lohnt auf jeden Fall den einen oder anderen weiterführenden Gedanken.
Das Ende des Buches allerdings macht einem klar, daß es sich soch “nur” um Erfindung und Phantasie handelt. Denn das erscheint mir doch ein wenig weit hergeholt und hat für mich irgendwie einen Teil der Faszination die zweifelslos vom Montglane-Spiel ausgeht kaputtgemacht. Besonders die sich zum Schluß herausstellenden Verhältnisse der Personen untereinander, über die Jahrhunderte hinweg ist für meinen Geschmack ein wenig zu dick aufgetragen.

Fazit:
Ich kann nicht sagen, für welche Zielgruppe sich dieser Roman eignet. Wie gesagt, hier ist eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei. Ich kann Nevilles Buch unbedingt empfehlen, es ist spannend, informativ und beeindruckend und teilweise auch unheimlich und beklemmend. Kaum eine der gut 630 Seiten des Taschenbuchs langweilt oder ist überflüssig. Den einen oder anderen Absatz auslassen funktioniert hier nicht, er könnte irgendwann nochmal wichtig sein. Die Geschichte ist dicht verflochten und absolut wasserdicht. Der Autorin unterlaufen keine Fehler bei der Konstruktion es bleibt kaum eine Frage offen.