Gelesen: Alice – Follow the white

Cover Alice - Follow the white
Alice – follow the white

„Ich habe meine Schwester gegessen.“ So beginnt „Alice – follow the white“ von Stephanie Kempin aus dem Papierverzierer Verlag. Ich meine, das ist mal ein Einstieg in ein Jugendbuch. Ja, Jugendbuch. Das übrigens nicht von unserer Tochter gelesen wurde, sondern von mir. Weil derjenige, der mir gegenüber das Buch erwähnte meinen Buchgeschmack, meinen Humor kennt und von meiner lesesüchtigen Tochter weiß.

Das Buch ist eine Mischung aus Tagebuch und Blick aus dritter Person. Alice, Chloe und Betty sind drei „Schwestern“ aus einem Heim. Sie sind also keine Schwestern im eigentlichen Sinne und vor allem grundverschieden. Betty ist übrigens eine Untote und hat einen Hang dazu mit Eis zu werfen.

Ihr merkt schon, das alles klingt etwas schräg. Ist es auch. Spätestens, wenn nach Bettys Wiederauferstehung ein weißes Kaninchen auftaucht. Welches zur Eile antreibt, weil man hat ja keine Zeit. Merkt Ihr was? Ja, Alice ist die Alice im Wunderland. Nach ihren Wunderland Abenteuern.

Die drei Mädchen flüchten mit dem weißem Hasen in das Dämmer-Spiegel-Land und spätestens ab da hat man als erwachsener Leser einen Heidenspaß. Stephanie Kempin beginnt einen Trip durch die Literatur, bedient sich an X-Men und Grimms Märchen. Und noch diversen anderen Filmen, Serien, Büchern, die ich nicht gegriffen kriege, wahrscheinlich weil ich sie nicht kenne oder mich deren bisher verweigert habe.

Die Story des Buches zusammenzufassen ist unheimlich schwer, ohne zu viel zu spoilern. Logischerweise trifft man auf Figuren aus Alice im Wunderland, aber der Abstecher zu den Grimms Märchen ist eine Reise in die eigene Kindheit, zu den Märchen, die man vorgelesen bekam, oder selbst las. Die Übernachtung bei Rotkäppchens Oma. Ich meine, wie kommt man als Autor auf so eine Idee? Wer spätestens da nicht lacht, der hat keinen Humor. Oder den falschen. Letzten Endes kommt einem vieles bekannt vor. Wenn man der Autorin Böses will, könnte man behaupten, sie hat schamlos kopiert. Ich finde, sie hat hervorragend adaptiert.

Was mir an diesem Buch ganz besonders gefällt, sind die Dialoge: Rotzig, frech, sarkastisch. Sie passen zu den Figuren. Und treffen auch noch genau meinen Humor.

Stephanie Kempin hat einen Schreibstil, der das gewisse Etwas hat. Auf dem Boden geblieben. Es ist keine geschwollene Sprache, sondern frei von der Leber weg. Ich kann mir vorstellen, dass die Autorin auch im echten Leben genau so redet. Und genau so eine Kodderschnauze hat, wie einige der Figuren im Buch.

Das Buch hat von Anfang an schon Tempo und wird zum Ende irrwitzig schnell. Fast wie ein Actionfilm, bei dem der Regisseur merkt, ihm geht die Zeit aus und er muss zum Ende finden. Das klingt hier erst mal negativ, aber man fiebert beim Lesen richtig mit. Die Action tut gut.

Ich habe beim Lesen nicht nur ein paarmal laut lachen müssen. Mich hat es teilweise vom Sofa gehauen. Das Buch bietet einige Klopper, gerade wenn man die Anleihen versteht. Und das Buch endet mit einem klitzekleinem Cliffhanger. Aber wie ich aus gut unterrichteter Quelle erfahren habe, wird eine Fortsetzung durchaus erwogen.

Mir hat der teilweise bitterböse Humor gefallen, die Dialoge sind sarkastisch und ironisch. Die Anleihen bei X-Men und Grimms Märchen (sowie diversen anderen) sind einfach klasse.

Wer schon immer mal wieder mit Alice und dem weißen Hasen Abenteuer erleben wollte, liegt mit diesem Buch genau richtig. Und Tagebuch schreibende, Eis schmeißende Untote sind allemal cooler als Glitzervampire.

Gebe ich meiner Tochter das Buch zum lesen?

Jein. Sie ist noch nicht ganz in der Zielgruppe, auch wenn sie durchaus Bücher liest, die noch nicht für ihre Altersklasse vorgesehen sind. Ihr fehlt aber einiges an Hintergrundwissen (X-Men z.b.) und damit  geht einiges an Lesevergnügen verloren. Da ist noch ein wenig Bildungsarbeit notwendig.

Aber ich kann mir vorstellen, dass es, würde ich es ihr zu lesen geben, interessante Diskussionen über das Buch gäbe.

Fazit:

Ich habe mich als Erwachsener göttlich bei diesem Jugendbuch amüsiert und kann es jedem ans Herz legen, der Fantasy mag, einen dezent-offensiven Humor hat und auch mal links und rechts der Genres guckt. Also, nicht politisch…

Es muss aber auch gesagt werden, kennt man die Adaptionen nicht, die von der Autorin genutzt werden, kann das Buch durchaus etwas schräg wirken. Dann fehlt der Witz.

5 Sterne

 

 

Cover Alice follow the white
Alice – Follow the white

Stephanie Kempin (Facebook)
Alice – Follow the white
Papierverzierer Verlag
328 Seiten

ISBN: 978-3959620505