Ein Meer aus Tinte und Gold Hörbuch

Gehört: Ein Meer aus Tinte und Gold

Vorweg: Ich beziehe mich hier auf die Hörbuchfassung, welche natürlich gekürzt ist, was sich in diesem Fall stark auf Inhalt und Eindruck ausgewirkt haben könnte.

Auf langen Fahrtstrecken im Auto hören wir gerne ein Hörbuch. Kürzlich war es „Ein Meer aus Tinte und Gold (Das Buch von Kelanna)“ von Traci Chee, gelesen von Laura Maire. Ich hatte das Buch an sich vor einiger Zeit online entdeckt, die Inhaltsangabe reizte mich, das Cover war wunderschön gestaltet. Als es mir dann als Hörbuch im Buchhandel begegnete, nahm ich es kurzentschlossen mit. Wir legten gespannt die CD ein, ein Land, in welchem niemand weiß, was ein Buch ist, wo Lesen unbekannt ist, mittendrin Sefia, die seit der Ermordung ihre Vaters mit ihrer Tante Nin auf der Flucht ist, in ihrem Rucksack ein merkwürdiger Gegenstand, der offensichtlich der Grund für ihre Flucht ist. Ein Buch. Als Nin entführt wird, ist Sefia auf sich allein gestellt, sie macht sich an die Verfolgung von Nins Spur.

Das klang interessant. Der Einstieg war leicht verwirrend. Wer ist wer? Na, am Beginn einer Geschichte muss man ja oft erstmal reinfinden, dachten wir uns. „Ein Meer aus Tinte und Gold“ spielt in in dem fiktiven Land Kelanna, von dem man bis zum Ende nicht so ganz begreift, wo es sich befinden könnte. Es fehlt jegliche typische Beschreibung zur Einordnung. Eher tropisch? Aber das ist ja nur Nebensache. Meer. Schiffe. Magie, eine ganz eigene Form der Magie. Sefia ist die Hauptperson, alles dreht sich um sie und das Buch, nur wie, das begreift man kaum. Sefia befreit bald einen Jungen aus einer Kiste, er wirkt verängstigt, ist stumm, lernt aber, sich mit Sefia per Zeichen zu verständigen. Sefia gibt ihm den Namen Archer. Dann ist da plötzlich ein zweiter Erzählstrang rund um einen Käpt’n  Lee und noch ein dritter um ein paar andere Personen, die Sefia auch jagen. Klingt verworren? Ist es auch.

Im beim Carlsen-Verlag erschienenen gedruckten Buch selbst ist der Erzählstrang um Käpt’n Lee wohl typografisch abgesetzt, so dass der Leser erkennen kann, dass es nicht die Hauptgeschichte ist, im Hörbuch gibt es hierfür überhaupt keine Anzeichen. Völlig unvermittelt für den Hörer wird hier zwischen den Erzählsträngen gewechselt und man braucht einige dieser Wechsel bis man begreift, dass es jetzt wieder soweit ist. Laura Maire, der man sehr gut zuhören kann, setzt es sprachlich auch nicht vom restlichen Text ab. Nicht vom Tonfall, nicht von der Stimmlage, nicht von der Lesart. Wer wer ist, auch das bleibt bis zum Ende des Buches unklar. Sind Sefia und Archer eigentlich die Guten? Sefia selbst blickt überhaupt nicht durch, Zweifel an allem und jedem durchziehen das 15jährige Mädchen aus gutem Grund von Anfang bis Ende.

Das Hörbuch

Die gekürzte Lesung hat laut Hörbuch Hamburg (in dessen Edition Silberfisch „Ein Meer aus Tinten und Gold“ veröffentlicht wurde) ca. 389 Minuten, verteilt auf 5 CDs. Diese befinden sich in einem aufklappbaren Pappumschlag. Das Design ist dem gedruckten Buch entsprechend schön und reizvoll. Unter den einzelnen CD-Einschüben finden sich Textauszüge sowie kurze Informationen zur Autorin und zur Sprecherin.

Wie erwähnt kann man Laura Maire auch während der Autofahrt gut zuhören. Sie liest sehr ansprechend, allerdings bleibt sie doch immer gleich, auch in spannenden Momenten zum Beispiel. Was sie sehr schön rausarbeitet, sind Sefias Gedanken und Zweifel. Dafür, dass die Geschichte insgesamt ziemlich verworren ist, kann sie nichts. Anscheinend sind die einzelnen Erzählstränge im gedruckten Buch um einiges klarer voneinander abgesetzt, auch soll es dort diverse Gestaltungselemente geben, die das Buch zu etwas Besonderem machen. Das fehlt dem Hörbuch natürlich.
Die Geschichte hat sehr viele interessante Ideenansätze, die Idee eines Landes, in dem keiner lesen kann, oder auch ein Buch im Buch stattfinden zu lassen, ist unglaublich reizvoll und interessant in der Entwicklung zu verfolgen. Nur – was zumindest im Hörbuch ein vollkommen überflüssiges Ausmaß erreicht sind Morde. Es ist unendlich brutal. Oftmals erzeugt Traci Chee die Spannung vor allem dadurch, wer die unzähligen, häufig detailliert beschriebenen grausamen Kämpfe überlebt. Ich weiß nicht mehr, nach dem wievielten Mord wir aufgehört haben, sie zu zählen.

Fazit

Uns hat die Idee hinter dem Buch fasziniert. Die Geschichte hätte wirklich Potenzial. Nur – die Umsetzung entspricht wenn überhaupt nur ansatzweise dem, was wir uns da erhofft hatten. Was uns in Erinnerung blieb ist Verwirrung und vor allem Brutalität. Auch das Ende ist alles andere als eindeutig, positiv formuliert kann man es einen Cliffhanger nennen. Ich weiß nicht, wieviel Verwirrung und auch Gewichtung auf die Kämpfe und Morde aufgrund der sicher massiven Kürzungen für das Hörbuch entstanden ist. Die Spannung an sich, die durchaus vorhanden ist, die interessante Idee, das alles bleibt völlig dahinter zurück. Irgendwann war der Punkt erreicht, an welchem wir nur noch weiter gehört haben, weil wir einfach wissen wollten, wer denn da nun wer ist und wie die einzelnen Personen miteinander in Verbindung stehen. Schade, sehr sehr schade. Als Hörbuch würde ich „Ein Meer aus Tinte und Gold“ nicht weiterempfehlen. Schon gar nicht für sensible Hörer.

Unsere Wertung:

 

 

Traci Chee
Ein Meer aus Tinte und Gold
HörbucHHamburg
5 CDs 389 Minuten

ISBN: 978-3867422949

Gebundene Ausgabe
Carlsen Verlag
480 Seiten, 17,99 €

ISBN: 978-3551583529
Altersempfehlung des Verlags: ab 14 Jahre

Kleine Ergänzung (17.08.17)
Wir haben das Hardcover-Buch vor ein paar Tagen im Handel in den Händen gehalten und durchgeblättert. In der Tat macht da die Gestaltung sehr viel aus. Die Verwirrung, wenn die Geschichte zu Käpt’n Lee wechselt, bleibt einem beim Lesen des Buches erspart, denn diese Teile unterscheiden sich optisch deutlich vom Rest des Buches.
Bei Sarah von Pergamentfalter gibt es eine Rezension zum gedruckten Buch, welche sich in Teilen mit unseren Eindrücken vom Hörbuch deckt, aber auch deutliche Unterschiede zeigt.